
Die Familie Mariens: eine römische Pfarrei und Neuwahlen. Aber alles ist wie zuvor
ROM-ADISTA. Die Familie Mariens und ihr klerikaler Zweig, das Werk Jesu, des Hohenpriesters stehen seit mehr als drei Jahren unter Vormundschaft des Vatikans wegen des missbräuchlichen Systems, das in den letzten 30 Jahren vom Mitbegründer und ehemaligen Oberen P. Gebhard Sigl eingerichtet wurde, Pater Sigl der vor einem Jahr von einem kirchlichen Gericht verurteilt wurde (siehe Adista Notizie Nr. 39/24).
Und jetzt diese Familie Mariens mit ihrem klerikalen Zweig übernehmen eine römische Pfarrei, San Giuliano, im Norden der Hauptstadt, an der Via Cassia. Die Gläubigen und der scheidende Pfarrer Don Massimo de Propris, der erst nach der Bekanntgabe seiner Versetzung und der neuen Ernennung von der kritischen Lage dieser Gemeinschaft erfuhr, waren darüber nicht informiert.
Don Massimo selbst gab diese Maßnahme am 24. Juni in einem Beitrag auf der Webseite und auf der Facebook-Seite der Pfarrei bekannt. „Ab dem 1. September“, heißt es dort, „wird die Pfarrei San Giuliano dem „Werk Jesu des Hohenpriesters“, einer öffentlichen klerikalen Vereinigung päpstlichen Rechtes, anvertraut. Pfarrer wird Don Matteo Tosi sein, der aus der Diözese Teramo-Atri kommt, wo er als Pfarrer und stellvertretender Leiter der Universitätsseelsorge der Diözese tätig war.“
Aber die Probleme sind nicht gelöst
Wir haben Kardinalvikar Baldassarre Reina um eine Erklärung gebeten, warum eine problematische Gemeinschaft mit einer Pfarrei betraut wurde, ohne die Gläubigen darüber zu informieren, und ob sich die Gemeinschaft offiziell vom Mitbegründer distanziert hat, dem das Urteil des vatikanischen Sondergerichts für zehn Jahre jeglichen Kontakt mit den Mitgliedern und jede Rolle in der Vereinigung und im klerikalen Institut, der geistlichen Leitung, untersagt und die Verpflichtung auferlegt hatte, an einem bestimmten Ort zu wohnen (alle Maßnahmen, die, nebenbei bemerkt, laut verschiedenen Quellen umgangen wurden).
Bislang haben wir keine Antwort erhalten. Es genügt jedoch, die erste Vorstellungsbotschaft des neuen Pfarrers Don Matteo Tosi zu lesen, die am 23. August auf der Website der Pfarrei und auf Facebook veröffentlicht wurde, um zu erkennen, dass die Probleme nach wie vor bestehen und dass die dreijährige Vormundschaftsverwaltung bislang keinen Einfluss auf das Selbstverständnis der Gemeinschaft und ihrer Mitglieder hatte.
Der neue Pfarrer von San Giuliano geht mit keinem Wort auf die Situation der kirchlichen Realität seiner Gemeinschaft ein an welcher die Pfarrei anvertraut wurde. Vor allem aber beschreibt er die beiden Laien-Schwestern, die ihn unterstützen werden, als „Nonnen” („Schwester Mary Nicole (...) und Schwester Lidia”). Damit schürt er nur die Verwirrung, die seit jeher den kanonischen Status der Laien prägt, die sich zwar durch einen privaten Akt der Hingabe ohne rechtliche Konsequenzen geweiht haben, sich aber mit einem ganzen Vokabular und einem Bild präsentieren – und präsentiert werden –, das ausschließlich für das geweihte Leben gilt: vom Gewand bis zum Ordensnamen. Im Übrigen darf nicht vergessen werden, dass die ersten Priesterweihen innerhalb der Gemeinschaft am 8. Dezember 1992 in Fatima heimlich von dem tschechoslowakischen Bischof Pavol Hnilica, einer dem Papst Wojtyla sehr nahestehenden Persönlichkeit und moralische Autorität der Familie Mariens, gegen den Willen des Vatikans und ohne dass die Kandidaten den üblichen, von den Normen der Kirche vorgesehenen Seminarweg absolviert hatten, vollzogen wurden. Zu den ersten fünf, die auf diese Weise unrechtmäßig „geweiht” wurden, gehören Pater Gebhard Sigl selbst und Monsignore Luciano Alimandi, heute Beamter des Staatssekretariats.
Die Selbstwahrnehmung, die verborgenen, aber nicht ignorierten Wurzeln
Es gibt eine Möglichkeit, sich der falschen Selbstwahrnehmung bewusst zu werden, die das Ergebnis einer alten Täuschung ist, die weiterhin die meisten Mitglieder der Gemeinschaft durchdringt, und zwar indem man die Artikel liest, die in ihrer Zeitschrift „Der Triumph des Herzens“ veröffentlicht werden. In einem davon, der erst kürzlich erschienen ist, rufen sie zu Spenden für eine Ausbildung auf, die eigentlich von der Institution garantiert werden sollte. In einem anderen erklären sie, warum die Ordenskleidung so wichtig ist, um als „Bräute Jesu” anerkannt zu werden (wieder eine Möglichkeit, Verwirrung zu stiften, indem sie eine für das geweihte Leben typische Terminologie verwenden). In einem weiteren Artikel erläutern sie, warum sie sich entschieden haben, die Verwaltungsarbeit, eine Arbeit, die idealerweise wenig befriedigend und wenig mit dem „religiösen Leben” vereinbar ist, nicht „den Laien” anzuvertrauen: Es handelt sich, so behaupten sie, um eine Arbeit, die für Gott geleistet wird und die sie selbst ausführen wollen. Dabei übersehen sie, dass auch sie, die Schwestern, Laien sind. Im selben Artikel geben sie jedoch zu, dass ihre Geschichte 50 Jahre alt ist: eine bisher unbekannte Erkenntnis, da auf der Website das Gründungsdatum der Gemeinschaft mit 1995 angegeben ist und die unangenehme Vergangenheit nicht erwähnt wird. Von 50 Jahren Geschichte zu sprechen bedeutet, sich bewusst zu sein, dass man von einer stark sektiererischen Wurzel abstammt, nämlich dem 1972 vom österreichischen pädophilen Priester Josef Seidnitzer gegründeten „Werk des Heiligen Geistes“, (dessen erster Mitarbeiter und Nachfolger Gebhard Sigl war, was den österreichischen Bischöfen bekannt war, wie aus einem Briefwechsel hervorgeht) und 1990 vom Innsbrucker Bischof Reinhold Stecher als „nicht katholisch” gebrandmarkt wurde, woraufhin sogar Papst Wojtyla durch den Stellvertreter des Staatssekretariats, Monsignore Edward Cassidy, intervenierte, wie Dokumente in unserem Besitz belegen. Seidnitzer wurde zusammen mit Sigl angewiesen, die Gemeinschaft aufzulösen, Gemeinschaft, die eine Art paralleles Seminar, das sich auf eine Pseudomystik konzentrierte, die später weitgehend an die Familie Mariens weitergegeben wurde. Aber das „Seminar” wurde nie geschlossen. „Die kanonischen Maßnahmen im Falle anhaltenden schweren Ungehorsams eines Priesters sollten über die bereits erfolgte Suspendierung (a divinis, Anm. d. Red.) hinaus fortgesetzt werden”, schrieb Cassidy; « Die Öffentlichkeit sollte durch die kirchliche und möglichst auch durch die weltliche Presse darüber informiert werden, dass es sich bei dem „Seminar“ von P. Seidnitzer um eine „private Initiative“ handelt, die weder von der Ortskirche noch vom Heiligen Stuhl anerkannt wurde und deren Auflösung sogar feierlich gefordert wurde », mit dem Ziel, « den bereits entstandenen Schaden für das Leben der Kirche und den Schmerz junger Menschen mit edlen Haltungen noch begrenzen zu können ». Es ist nicht bekannt, dass sich die Gemeinschaft jemals von diesem Pater Seidnitzer distanziert hat, der zudem dreimal (mit Freiheitsstrafe) vom österreichischen Strafgericht wegen Missbrauch von Minderjährigen verurteilt worden war.
Wahlen
Um auf die Gegenwart zurückzukommen: Obwohl es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass die Gemeinschaft mit Pater Sigl noch fest in Kontakt wäre (die Bestimmungen des Urteils würden weitgehend unbefolgt bleiben) und trotz der Tatsache, dass die Gemeinschaft die Vergangenheit, die so viel Leid, vor allem psychisches und spirituelles, bei so vielen Menschen verursacht hat, bisher nicht anerkannt, aufgearbeitet und überwunden hat, wurden für Anfang Oktober Wahlen angesetzt, um eine neue Führung zu bestimmen. Ein Schritt, der angesichts des aktuellen Zustands der Gemeinschaft, aus welcher weiterhin Mitglieder die sich am meisten der tragischen Situation bewusst sind, austreten, darunter mehrere Seminaristen, völlig unangebracht erscheint. Zumal offenbar kein Generationswechsel gefördert wurde. Man fragt sich, ob auch Franziska Kerschbaumer, Mutter Agnes, die zusammen mit Sigl die Doppelspitze der Gemeinschaft bildete und während der Vormundschaftsverwaltung ebenfalls von ihren Aufgaben suspendiert wurde, sowie die ehemaligen Mitglieder des Gründer-Vorstands gewählt werden können. Die Familie Mariens 2.0 läuft Gefahr, ein Klon ihrer selbst zu sein und zum x-ten Mal dieselbe Geschichte zu wiederholen, eine Geschichte von nie kontrollierten, nie sanktionierten Fehlentwicklungen und einem institutionellen Versagen, das seit Jahrzehnten andauert.
*Foto da pagina Facebook della Parrocchia di san Giuliano, Roma
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